Fliegen auf der Achterbahn
It is a long way to tipperary, sang man vor 100 Jahren. It is a long way to have a race heißt die Parole 2018.
18 Stunden versprach der Flugplan – 32
Stunden wurden es, als
wir endlich das Ziel erreicht haben –
Shenzhen.
Shenzehn ist eine Retortenstadt. 1410 gegründet – Ming Dynastie, um mal etwas klug zu sch… , hatte diese Stadt 1979 noch weniger als 30.000 Einwohner.
Heute sind
es mehr als 12 Mio, die in den unterschiedlichsten Industriezweigen schaffen
und jährlich ein Bruttonationalprodukt von mehr als 100 Mrd €
erarbeiten. So
beschäftigt z.B. die Fa. FOXCOM mehr als 300.000 Mitarbeiter in der
Elektronikbranche. Apple, Sony, …, alle lassen hier in einem Stadtteil
fertigen, den sie Ipad-City nennen.
Die Stadt ist dreidimensional. Unter 40 Stockwerken
scheinen die Chinesen hier keine Häuser mehr zu bauen.
Mancher Ausländer mag
den einheitlichen Stil kritisieren, aber so bauen sie effektiv und schnell.
Beeindruckend die vielen Grünflächen, die trotz der bestimmt exorbitant
hohen Baupreise gelassen wurden.
Aber
zurück zum Grund der Reise. Wir sind bei der
Generalprobe zur WM im November 2018 angekommen. Ein Auto erwartet uns am
Flughafen, natürlich mit großer Seitenwerbung. Das Hotel unserer Wahl – das
Coli Hotel – ist eine Mischung aus Supermoderne und traditionellen
chinesischen Kitsch.
Im Hotel herrscht kein
Personalmangel. Für jede Tätigkeit gibt es einen Mitarbeiter und jede Menge
Elektronik. Als
Speisekarte
bekommt man natürlich ein Ipad. Man kommt sich
vor wie bei Banggood und quält sich durch
die unterschiedlichen Menüs. Hat man dann
die Bestellliste fertig gestellt, kommt die nette Bedienung wieder und
schreibt alles auf einen Zettel – Dialektik von
Moderne und Tradition eben.
Wie gesagt, das Hotel ist toll, wir schlafen im 23.
Stock und haben einen sagenhaften Blick auf die Stadt und das Stadion, das
im ständigen Farbwechsel eine riesige Fläche füllt. Hier soll ein Race
stattfinden ? Ich stelle mir vor, ich fahre mal nach München in die Bayern
Arena und frage, ob ich die mal für einen World-Cup für mindestens zwei
Wochen bekommen könnte ! Ich sehe schon die freundlichen Männer mit der
weißen Jacke, die sehr sehr lange Ärmel hat, vor meinem geistigen Auge !
Am
nächsten Morgen geht es im Bus zum Stadion. Als
wir durch den Tunnel eintreten, kommen wir uns vor, wie Maximus im Film
Gladiator, als er das Kolloseum zum ersten Mal sieht. Wir reden hier von
einer dreistöckigen Arena, die schätzungsweise 50.000 Zuschauer fasst, eher
mehr. Auf dem Rasen der Track,
550 m
lang und voll ausgebaut, eine
Achterahn, nur ohne Wagen. Dazwischen jede Menge Arbeiter, Studenten und
natürlich Sicherheitskräfte. Letztere begleiten uns an allen Tagen. Uns ist
nicht klar, ob sie die Chinesen vor uns oder uns vor den Chinesen bewachen.
Die Trackkonstruktion
besteht aus Wasserrohren mit unterschiedlichestem Durchmesser und
entsprechenden Eckverbindern. Darauf befindet sich speziell gefertigte
Querträger – in Shenzhen kann man eben alles fertigen lassen – die
ihrerseits Längsrohre tragen, auf denen LED-Streifen befestigt sind.
Wir
rechnen kurz – ca. 7 km LED-Streifen kommen zusammen, die von zwei großen
Baustromverteilern versorgt werden.
Für das Videosignal haben sich die Veranstalter eine
für mich neue Lösung ausgedacht. Mehrere Antennen sind im gesamten Stadion
verteilt und liefern ihr Signal an eine Zentraleinheit, die das beste Signal
selektiert und dieses an den Piloten und den Schiedsrichter weitergibt.
Damit entfällt die Groundstation für die Piloten – anstöpseln und fertig.
Das Bild ist sehr gut, besser als das vergleichbare Bild mit meiner Bille
und Antennen.
Hier
ist eben alles High Tech, gespart haben die
Chinesen an keiner Stelle. In Reserve stehen natürlich jede Menge an
Groundstations – für den Fall der Fälle.
Zwei autonome Zeitmessysteme sorgen für zuverlässige
Messwerte.
Dass
im Stadion zwei riesige Bildschirme alle
Informationen übertragen, brauche ich nicht zu erwähnen. Im Herbst sollen
hier auch die Live-Bilder aus den Copern zu sehen sein.
Am
Wettbewerb selbst nahmen 77 Piloten aus 6 Ländern
teil, genug Zeit, um alles zu testen. Angelika war ja als Schiedsrichterin
eingeladen und für sie war es obligatorisch, aber auch ich habe keines der
Seminare versäumt, in denen es um die Reglemtsauslegung ging. Beide sind wir
also rechtzeitig zu Beginn der Rennserie bei uns auf dem aktuellsten Stand.
Eigentlich
ist der Grundgedanke der Rennen, dass ein
Wettbewerb für Senioren stattfindet, an der auch Jugendliche und Frauen
teilnehmen dürfen. Ich glaube, in Zukunft sollte man das umkehren – ein
Juniorenwettbewerb an dem auch Senioren zugelassen werden. Im Halbfinale
konnten sich noch zwei Senioren qualifizieren, Im Finale waren die Junioren
allein unter sich. Ja die Hirnforscher haben schon recht mit den Synapsen
und so.
Der
Freitag begann mit einer strengen Modellabnahme.
Der Veranstalter hatte 40 LED gefordert und ggf. auch bereit gestellt. Da
gab es kein „bauen wir gleich noch an“, wer sie nicht betriebsbereit
vorzeigen konnte, bekam keine Starterlaubnis. Die Chinesen hatte Junioren
mit 95 mm Modellen dabei, da braucht es schon
Kreativität,
um 40 LED zu
verbauen. Bei einem Teilnehmer war die Lösung einfach – alle drauf auf den
Akku ! Aber Vorsicht, bei der WM gibt es für das Anbringen eine genaue
Vorschrift!
Dann um 14.00 Uhr die Eröffnung. Viel Prominenz und
Musik. Das Beste für meinen Geschmack hier die Übersetzerin, ganz in Lang
und Rot.
Der Wettbewerb hatte dann auch
Generalprobencharakter. Ein Durchgang bei Tageslicht und zwei bei Nacht –
spektakulär, aber das Ende nach 24 Uhr, kein Bier mehr im Hotel, Sch…. !
Am Samstag ging es 8.00 Uhr weiter, also zeitiges Frühstück. Ich hatte zwischenzeitlich das Sysem der Frühstückssuppe verstanden :
Brühe mit Nudeln schnappen und alles rein, was so rumsteht. Ist
sehr schmackhaft, aber für das Shirt selbst mit Löffel sehr gefährlich, von
Stäbchen ganz zu schweigen.
Der Samstag vergeht wie in Flug. Bei jedem Gang für
kleine Beobachter tastet mich ein junge Beamtin mit
einem
Gerät ab, das mich
an die Klatsche beim Kasperle Theater erinnert.
Der Abend bricht herein, das ist hier gegen 18.00
Uhr. Bei allen anderen Wettbewerben kann sich der Contest-Direktor auf den
Kopf stellen, Dunkelheit heißt Feierabend. Nicht beim Race. 7 km LED
beleuchten den Track und weiter geht es.
Gegen 21.00 Uhr sind wir rechtzeitig für ein „China
Bier“ im Hotel, man muss nur den notwendigen Durst haben, dann schmeckt
alles.
Sonntag beginnt der Wettbewerb später, dafür 8.00
Uhr Briefing mit Susanne Schödel, Generalsektretär der FAI. Sie betont einen
wichtigen Fakt – FPV Racing ist zur Zeit die einzigste Modellsportart, die
Bilder aus dem Modell liefert. Das macht die Bedeutung dieser
Weltmeisterschaft aus und dem wird alles untergeordnet. Erwartet werden 110
Teilnehmer aus 22 Ländern. Unausgesprochen die Tatsache , dass sich diese WM
an Dubai 2016 orientiert und mit Sicherheit toppen wird.
Am
Sonntag Nachmittag
dann die Finale drei Junioren und eine Juniorin – Wanraya Wannapong, 11
Jahre alt.
Ein entnervter Hilferuf lässt uns
hochfahren, die Funke von Wanraya (Spektrum) signalisierte fehlende
Elektrönchen. Da konnte man den Vater sprinten sehen, um die Funke mit
Direktstrom zu versorgen. Der Lohn ein gewonnenes Fianle, Wanraya dominierte
die Seniorenwertung und damit natürlich auch die Junioren- und die
Frauenwertung. Einzig, ich habe Wanraya nie lächeln sehen, auch nicht nach
dem Sieg.
Beendet wurde der Wettbewerb mit der obligatorischen
Siegerehrung
und einem tollen Bankett – Generalprobe total !
Der Montag diente der Auswertung. Bewährt hat sich
die Regelung der maximalen Zahl von 6 Startern, wobei es nicht
ausgeschlossen ist, dass die WM mit 4 Teilnehmern pro Race geflogen wird. Letzteres
macht den Wettbewerb sehr flüssig und erspart zumindest auch in Deutschland
jegliche Ausnahmegenehmigung.
Die Regelung der Eliminationsrunde mit Second Chance
und zusätzlichen Runden ermöglicht den nach der Quali ausgeschiedenen
Piloten eine weitere Wettbewerbsteilnahme bis zum Ende.
Den
Schiedsrichtern kommt eine höhere Verantwortung
zu, da neben den Rundenzeiten auch die Zahl der durchflogenen Tore für die
Platzierung eine Rolle spielt.
Eine protokollierte Modellabnahme sollte der
Normalfall sein, sie garantiert nicht nur die Chancengleichheit sondern
sichert auch den Veranstalter ab.
Shenzhen
war eine tolle Erfahrung. Wir freuen uns
schon heute auf die WM im November. Mit Sicherheit wird es noch viele
Weltmeisterschaften im Copterrace geben, aber die „Erste“ gibt es eben nur
ein einziges Mal !