Einmal um die Welt
Früher,
ja früher da gab es noch richtig mutige Männer! Vor genau 90 Jahren machte
sich Friedrich Karl Freiherr Koenig von und zu Warthausen von Berlin auf, um
mal eben die Welt zu umrunden. Nicht einfach mit der düsengetriebenen
Linienmaschine durch mehr als 24 Zeitzonen auf 10000 bis 15000 Metern Höhe.
Nein, mit einem Holzflugzeug und gerade mal 20 PS. Mit einer Klemm-Daimler L
20 startete der 22-jährige Pilot am 11. August 1928 frühmorgens von
Tempelhof nach Moskau. Sein Ziel: Ohne Zwischenstopp in die russische
Hauptstadt, das wäre nämlich ein neuer Weltrekord.
Diese
Distanz hatte
vorher noch keiner mit einem Leichtflugzeug nonstop geschafft. Der Eindecker
mit 13 Metern Spannweite schaffte 125 km/h und eine Gipfelhöhe von 6700
Meter, für Vortrieb sorgte ein Mercedes-Benz Flugmotor F 7502. Der
Boxermotor hatte gerademal 884 Kubik Hubraum und erreichte 20 PS bei 3000
Umdrehungen. Übrigens konstruiert von Ing. Ferdinand Porsche, Direktor und
Chefkonstrukteur der
Daimler
-Motoren-Gesellschaft. 7.250 Reichsmark lautet
im Jahr 1928 der Preis für den von der Leichtflugzeugbau Klemm GmbH in
Sindelfingen als „Flugzeug für Schule, Reise, Sport“ beworbenen Eindecker.
Nach 16 Stunden und zurückgelegten 1700 Kilometern landete der Freiherr mit
der L 20 vor den Toren Moskaus. Doch anerkannt wurde der Rekord aus formalen
Gründen nicht: Den wegen des Grenzverlaufs zur Sowjetunion
notwendigen
Umweg
erkannten die Juroren nicht als Teil der Flugstrecke an. Also änderte von
Koenig-Warthausen seinen Plan: Er wollte die Welt umrunden. Mit 20 PS! Er
startete in Moskau gen Osten. Bei einem Stopp in Baku plante der Freiherr
schließlich, weiter in „die Märchenstadt Teheran“ in Persien zu fliegen. Mit
dem Flug bis Teheran hatte er ein weiteres Ziel erreicht - den
Hindenburg-Pokal zu gewinnen. Dieser 1928 erstmals von Reichspräsident Paul
von Hindenburg gestiftete „Hindenburg-Pokal“ ist mit 10.000 Reichsmark
dotiert.
Damit wären die Kosten für den Kauf der L 20 gedeckt, welche die
Eltern des Fliegers vorfinanziert haben. In Singapur wurde die Klemm zerlegt
und nach Japan verschifft. Nach wenigen Flugetappen ging es weiter per Schif
nach Nordamerika. Hier durchquerte die L 20 die Vereinigten Staaten; von San
Francisco nach New York, mit einem Abstecher nach Kanada. Den zweiten Gewinn
des „Hindenburg-Pokals“ in Folge verpasst von Koenig-Warthausen ganz knapp:
Zwei Tage zu spät für eine erneute Auszeichnung kam er am 3. November 1929
auf dem Flughafen Roosevelt Field in New York an. Nach der Schiffspassage
startete von Koenig-Warthausen am 22. November 1929 in Bremerhaven zur
letzten Etappe seiner Weltumrundung. Wegen schlechten Wetters beendete er
den Flug allerdings in Bevensen mit einer Notlandung. „Ende des Fluges
Berlin–Asien–U.S.A.–Berlin“ trägt der Freiherr am folgenden Tag ins Bordbuch
ein. Das Klemm-Daimler-Leichtflugzeug L 20 wird in Bevensen wieder flugfähig
gemacht und am 28. November 1929 ins Werk des Herstellers überführt. 15
Monate war von und zu Warthausen mit der 20 PS starken Klemm auf Reisen!
Wieso
mich das fasziniert? Weil bei uns im
Mercedes-Benz Museum eben nicht nur über 160 Autos stehen, sondern an der
Decke auch ein Flugzeug hängt. Und zwar der Nachbau eben dieser Klemm L20.
Das Original existiert nicht mehr. Aber unser Unternehmen ließ in den 1980er
Jahren diese Replika anfertigen. Vor kurzem stand ich direkt drunter. Sieht
so aus, als könnte der Tiefdecker direkt über die Graspiste rollen und
abheben. Zu einem kleinen Rundflug. Es muss ja nicht gleich um die ganze
Welt gehen. Den Beweis, dass es geht, haben beide vor 90 Jahren schon
erbracht, die Klemm-Daimler L 20 und der mutige Friedrich Karl Freiherr
Koenig von und zu Warthausen.
Fotos: Daimler AG