Ein Familienausflug der besonderen Art.....
Terminkollisionen,
wie ich sie hasse. Eine Geburtstagsfeier, Elchtrophy, Flugtag in Elchingen
und das Red Bull Air Race am Lausitzring – alles an einem Wochenende.
Aber
der Mensch muss Prioritäten setzen. Schließlich war der Besuch bei der
„schnellsten Motorsportserie der Welt“, wie die Veranstalter behaupten,
schon seit langem geplant. Also machten wir uns am Samstag um 7.00 Uhr auf
die Reise nach Brandenburg. Wir vier, das waren Daniel und Harald Walter und
mein Cousin Herbert. Er ist mindestens genauso flugzeugverrückt wie wir
drei, seit seinem 16. Lebensjahr aktiver Pilot und bei Grob Aircraft im
Unterallgäu in der Qualitätssicherung beschäftigt.
Bei top Wetter erlebte das Team Mühling/Walter einen
interessanten Trainings- und Qualifying-Tag. Wir hatten einen perfekten
Blick auf die Rennstrecke und die Hangars, die sich direkt in der Boxengasse
befanden. Für das Air Race wurde der Kurs mit seinen 25 Meter hohen, mit
heißer Luft gefüllten Pylonen direkt auf dem Infield der Rennstrecke
aufgebaut. Der 2000 eröffnete Eurospeedway Lausitz ist ja üblicherweise
Schauplatz von Auto- und Motorradrennen, zum Beispiel für die DTM und die
Superbike-WM.
Der einzige deutsche Teilnehmer der Master Class,
Matthias Dolderer, ebenso ein Allgäuer wie mein Cousin und ich, war
natürlich auf einen Heimsieg gepolt, zumal er zwei Rennen vor Saisonende
seinen Vorsprung in der WM hätte deutlich ausbauen können. Aber er kam nicht
besonders mit dem rund sechs Kilometer langen Kurs zurecht. Dieser muss pro
Durchgang zweimal durchfolgen werden. Am Ende blieb er im Qualifying als
achter von 14 Startern recht blass. Den Samstag gewann der Brite Nigel Lamb,
mit 60 Lenzen der älteste Pilot im Feld.
Am Sonntag dann wieder gut gefüllte Tribünen, was
sicher auch am günstigen Eintritt von 35 Euro für das Zweitagesticket lag.
Laut Veranstalter waren am Wochenende 50.000 Zuschauer vor Ort, aber wir
wissen ja, dass man solchen Zahlen grundsätzlich mit Skepsis begegnen muss.
Ähnlich laut wie der größere, deutsche Fanblock waren die Flugzeug-Fans aus
Tschechien. Ihre Piloten Martin Sonka, Kopfstein und Peter Podlunsek wurden kräftig angefeuert. Selbst zwei Fans aus Japan sind mir
begegnet. Ob sie extra von der fernen Insel wegen ihres Stars Yoshi Muroya
angereist sind?
Der Renntag wäre fast dem Regenwetter zum Opfer
gefallen. Böse Erinnerungen an 2010 wurden wach, als wir nur Tickets für
Samstag hatten, und der Event mitten am Tag wegen Mistwetters abgesagt
werden musste. Dass es diesmal laut Wetterprognose am Sonntag Nachmittag
regnen sollte, war eigentlich klar. Wir wunderten uns, wieso der
Veranstalter das Programm nicht umstellen wollte. Vormittags war es ja noch
trocken, und auf das Rahmenprogramm mit Fallschirmspringern, DTM-Autos und
Motorrädern hätten wir gut und gerne verzichten können. Wir wollten die 14
Piloten zwischen den Pylonen sehen! Doch wir hatten Glück, die dunklen
Wolken zogen nach Osten weiter und um 15.07 Uhr war der Regen durch, exakt
so wie vom Regenradar prognostiziert.
Die Startnummer 21, Matthias Dolderer konnte sich am
entscheidenden Tag mit seiner weißen Zivko Edge 540 steigern. Seine Zeiten
wurden immer schneller, außerdem unterlief ihm kein Fehler. Strafpunkte für
„incorrect level“ zwischen den Pylonen, zu schnelles oder zu tiefes Fliegen,
das Überschreiten des Limits von +10 G, oder ein Treffer der Pylonen, die
wegen Wind teilweise ziemlich schwankten? Fehlanzeige, damit hatten die
anderen zu kämpfen, nicht aber der 45jährige Inhaber einer Flugschule in
Tannheim bei Memmingen. Lokalmatador Dolderer blieb ultra-cool und lieferte
sich packende Duelle. Unfassbar, wie präzise die Piloten ihre Maschinen mit
Highspeed um den Kurs wuchteten, begleitet vom satten Röhren der Lycoming-Triebwerke.
Für Fehler ist kaum Platz, die Jungs am Steuerknüppel zeigten atemberaubende
Akrobatik bei Vollgas in Bodennähe.
Außer der Edge 540, einem Mitteldecker, war noch der
Tiefdecker MXS-R am Start. Beide Vollcarbon-Flugzeuge haben etwas über
sieben Meter Spannweite und bringen inklusive Pilot keine 700 Kilogramm auf
die Waage. Für eine Höchstgeschwindigkeit von über 425 km/h sorgen die 8,8
Liter großen Sechszylinder-Boxermotoren mit einheitlich 300 PS. Im Rennen
jedoch dürfen die Flugzeuge aus Sicherheitsgründen 200 Knoten, also 370 km/h
nicht überschreiten. In der Nachwuchsklasse, dem Challenger Cup gingen
sieben Piloten und eine Pilotin mit einer Extra 330LX an den Start. Diesen
Wettbewerb konnte der Deutsche Florian Berger gewinnen.
In der Master Class aber, in der Dolderer und Co.
gegeneinander kämpften, waren erst 14, dann acht und am Ende vier Starter in
der Luft. Im „Final 4“, das bei strahlendem Sonnenschein die Zuschauer
fesselte, blieben Matt Hall (Australien), Pete McLeod (Kanada) und Martin
Sonka (Tschechien) und eben Dolderer übrig. Der Deutsche wurde am Ende mit
einer Zeit von 54,417 Sekunden Zweiter hinter Matt Hall (53,642) und vor
Pete McLeod (54,916). Trotz verpasstem Heimsieg
führt er die Meisterschaft
weiter an und ist zufrieden mit dem sechsten Lauf zum Red Bull Air Race
2016: „Ich bin super glücklich mit meinem zweiten Platz. Ich habe keinen
Druck verspürt, und mein Team hat sichergestellt, dass ich mich voll auf das
Fliegen konzentrieren kann.“ Die letzten beiden Rennen finden im Oktober in
Indianapolis und Las Vegas statt.
Ohne Zweifel, der Besuch beim Red Bull Air Race in
der Lausitz war ein Familienausflug der besonderen Art. Statt Kaffee und
Kuchen
spektakuläre Flug-Action und Spannung pur. Unsere Heimfahrt dauert
glatte sechs Stunden, also eine Stunde länger als die Hinfahrt. Schuld waren
Dauerregen und viel Verkehr. Das Team Mühling/Walter hatte also viel Zeit,
im Auto eifrig über Fluglinien, Zeitabstände und den spektakulären Speed der
wunderschönen Rennflugzeuge zu diskutieren. Nächstes Wochenende ist
Hahnweide – ein Glück, diesmal ohne Terminkollision...
Grüße, Euer Frank